Angeblich soll der Iran schnell eine Atombombe herstellen können, was Netanjahu unbedingt verhindern will. Möglicherweise liefert Russland S-400-Luftabwehrsysteme an den Iran, was einen Angriff aber hochriskant machen würde.
Auch die aktuelle Netanjahu-Regierung versucht, nationale Einheit durch Bedrohung von außen, durch die Palästinenser, vor allem aber durch den Iran herzustellen. Mit allen Mitteln soll versucht werden, den Iran daran zu hindern, atomwaffenfähiges Material und Atomwaffen herzustellen. Mit dem Iran-Abkommen sollte dies verhindert werden. Donald Trump war aus ihm ausgestiegen, hatte sich aber auch geweigert, Israel mit einem immer wieder angedrohten und auch militärisch vorbereiteten Angriff auf iranische Atomanlagen zu unterstützen. Die Biden-Regierung wollte das Abkommen wieder aufgreifen, aber bislang sieht es so aus, als würde es nicht mehr zustande kommen, obgleich die Bemühungen von allen Seiten weiter gehen. Iran will wieder verstärkt IAEA-Inspektoren zulassen.
Angeblich reichert der Iran weiter Uran auf 60 Prozent an, die IAEA hat Spuren mit einer Anreicherung von fast 84 Prozent entdeckt. Eine israelische Delegation wird diese Woche in Washington erwartet, um das Problem der möglicherweise kurz bevorstehenden iranischen Atombombe zu besprechen. Überdies wird US-Verteidigungsminister Lloyd Austin die israelische Regierung besuchen. Netanjahu hat eine Anreicherung von 90 Prozent als rote Linie bezeichnet versprochen, alles zu tun, um zu verhindern, dass der Iran Atombomben erhält. Colin Kahl hatte vor wenigen Tagen behauptet, der Iran könne innerhalb von 12 Tagen Material für eine Atombombe herstellen, 2018 wären noch 12 Monate notwendig gewesen.
IAEA-Chef Raael Grossi war am Wochenende auf Besuch in Israel und warnte am Samstag, dass „jeder militärische Angriff auf Atomanlagen außerhalb es Rechts“ sei. Daraufhin konterte Netanjahu vor seinem Kabinett: „Rafael Grossi ist eine würdige Person, die eine unwürdige Bemerkung gemacht hat. Außerhalb welchen Gesetzes? Ist es zulässig, dass der Iran, der offen zu unserer Vernichtung aufruft, die Schlachtwerkzeuge für unsere Vernichtung organisiert? Ist es uns untersagt, uns zu verteidigen? Es ist uns offensichtlich erlaubt, dies zu tun.“ Nichts werde Israel abhalten, sich zu verteidigen.
Für die israelische Regierung wäre ein schneller Angriff auf den Iran mit der Unterstützung oder Duldung der USA eine gute Hilfe, um die Proteste im Land gegenüber der von Iran ausgehenden Gefahr zu beenden. Allerdings könnte der Iran auch ohne Atomwaffen mit seinem Raketen- und Drohnenarsenal auf verheerende Weise zurückschlagen. Netanjahu drängt auch deswegen zur Eile, weil der Iran angeblich bald Atomwaffen zur Verfügung haben könnte – nicht um Israel anzugreifen, aber um sich vor Angriffen zu schützen.
Das Fenster könnte sich auch schließen, weil Russland dem Iran angeblich die neuen Luftabwehrsysteme S-400 liefern will, die eine Reichweite von bis zu 400 km haben. Bislang verfügt der Iran nur über eine größere Zahl von S-300-Systemen, wohl auch mit Rücksicht auf Israel noch nicht über S-400. Allerdings hat der Iran seit 2019 mit Bavar-373 ein zu S-300 vergleichbares System. Mit S-400-Systemen würden Angriffe auf iranische Atomanlagen mit Kampfflugzeugen deutlich riskanter werden, wenn denn die Systeme wirklich so gut sind, wie Russland behauptet. Ob Russland dies tatsächlich macht, ist unklar, möglicherweise könnte es einen Deal Luftabwehrsysteme gegen Kampfdrohnen und Raketen geben, die Lieferung von Su-35-Kampfflugzeugen, die Iran erwartet, könnte auch ein Bestandteil sein. Russland könnte damit aber auch Israel unter Druck setzen, sich mit der militärischen Unterstützung der Ukraine zurückzuhalten. Oder aber die Meldung wurde verbreitet, um die Notwendigkeit schneller Entschlüsse bei der israelischen und amerikanischen Regierung zu demonstrieren. Wie es heißt, würde es allerdings zwei Jahre benötigen, bis die S-400-Systeme im Iran einsatzbereit seien.
Bislang ist freilich nicht so klar, wie gut die S-400 im Krieg gegen die Ukraine funktionieren und ob sie bislang überhaupt eingesetzt wurden. Die russische Luftabwehr hat, was einige Angriffe auf russisches Territorium und auf die Krim mit Drohnen und Raketen belegen, jrdenfalls Probleme. Angeblich wurde im Januar ein S-400-Abschusssystem in Saporischschja 60 km von der Front entfernt zerstört. Es könnte aber auch durch eine Panne in Brand geraten sein.
Netanjahu hat allerdings auch wegen der geplanten „Justizreform“, also der Einschränkung der Kompetenzen des Obersten Gerichts, und der Ausschreitungen der Siedler in Huwara Probleme, weil immer mehr Reservisten es ablehnen, ihren Dienst zu leisten. Oberkommandierende der israelischen Truppen Halevi hat den Verteidigungsminister und Netanjahu gewarnt, dass dann, wenn der Trend anhält, die militärischen Kapazitäten beeinträchtigt würden. Gestern kündigten 47 von 50 Reservisten vom 69. Geschwader der Luftwaffe an, dass sie aus Protest gegen die „Justizreform“ an den vorgesehenen Übungen nicht teilnehmen werden. Das Geschwader hat 2007 einen Angriff auf einen angeblich geplanten syrischen Reaktor und seitdem zahlreiche Angriffe auf syrische Ziele geflogen. Allerdings sagten die Reservisten, sie würden zu operativen Einsätzen einrücken.
Halevi äußerte die Sorge, es könnten keine Mabam-Flüge ausgeführt werden. Das sind Einsätze zwischen Kriegen, also etwa verdeckte Einsätze zu Angriffen auf syrische Ziele oder eben auch iranische Atomanlagen. Verteidigungsminister Gallant rief zu Kompromissen bei der „Justizreform“ auf. Alle ehemaligen Luftwaffenchefs schrieben einen Brief an Netanjahu und den Verteidigungsminister, warnten vor den Konsequenzen und forderten ein Einlenken der Regierung.
Die US-Regierung wird weiterhin zögerlich sein, sich für Netanjahus Pläne zur Bombardierung von iranischen Atomanlagen einspannen zulassen, und entsprechenden Druck ausüben. Washington muss aber fürchten, dass Israel auch wegen der innenpolitischen Krise einen Angriff alleine durchführen könnte. Das wird neben der Ukraine zu einem weiteren Kriegsschauplatz führen, in den US-Truppen unweigerlich hineingezogen würden. Zudem würde die auch militärische Ausrichtung auf den Hauptfeind China darunter leiden.
Allerdings haben die IDF und das Pentagon im Januar erst mit Juniper Oax die bislang größte Militärübung für einen Angriff auf einen möglichen Feind abgehalten, der natürlich der Iran ist. Die USA müssten vor allem Tankflugzeuge für die israelischen Kampfflugzeuge bereitstellen.